Krise? Welche Krise?

Die irische Regierung übernimmt eine Bürgschaft über 400 Milliarden Euro für ihre angeschlagenen Banken. Währenddessen können sich dort selbst Menschen mit zwei Jobs kaum den Zahnersatz leisten. Die USA planen einen 700 Milliarden Rettungsprogramm. Und auch wir lassen uns gegenüber der Hypo Real Estate mit 35 Milliarden Bürgschaft nicht lumpen.

Morituri te salutant – die Todgeweihten grüßen dich! Der momentane Ablauf der Bankenrettungen und -stützungen, bei dem es um Summen geht, die reichen würden, das Hungerproblem der gesamten Welt locker zu schultern (jaja, ich weiß, das lässt sich nicht nur mit Geld lösen), erinnert fatal an die Erhöhung der Dosis bei einem Suchtkranken. Mehr vom Falschen macht es aber nicht besser – ein Entzug muss her. Wer hat den Mut, quer zu denken? Und nicht immer mehr vom Falschen zu verlangen? Wären Banken wie Fortis vor einem Jahr verstaatlicht worden, hätten alle „Kommunisten!“ gerufen und den kleinen McCarthy gespielt. Nun gebietet es die wirtschaftliche „Vernunft“? Wer denkt quer und mutig? 

Wie stellt sich eigentlich Gott ein Wirtschaftssystem vor? Mit regelmäßigem Schuldenerlass (alle sieben Jahre), Freilassung von Sklaven und Enteignung und Rückgabe von Grundstücken an den ursprünglichen Besitzer. Dazu eine heilige Gelassenheit im Umgang mit Geld. Radikal? Sicher. Und ich bin mir bewusst, wir müssen Realpolitik machen und haben keine Theokratie. Trotzdem ist es Wille Gottes. Warum sind wir denn da so wenig „bibeltreu“? Und rufen mehr nach der Macht des Marktes als nach der Macht Gottes? Seltsam. 

Vielleicht sollte folgendes nicht ganz einfache, aber sehr spannende Buch zur Pflichtlektüre werden: Die Hausordnung der Tora. Biblische Impulse für eine theologische Wirtschaftsethik (Franz Segbers). Wir brauchen Querdenker. Und gerade Christen sind hier gefordert. Denn Gott liebt diese Welt.

11 Kommentare

  1. Wenn ich ins NT schaue, dann bemerke ich in kritischen Fragen (wie zum Beispiel der Sklaverei), dass die Christen keine Palastrevolution anzettelten, sondern eher von innen nach außen veränderten. Sprich: wir müssen wieder miteinander diskutieren, zuhören, um Meinungen kämpfen und biblisch überzeugend sein. Ich weiß nicht wie du das erlebst, Hufi, aber echte Diskussionen über Politik und Wirtschaft sind selten geworden – viele sind einfach auf dem Rückzug ins Private. Man ist sich selbst genug. Dazu noch die Haltung: ach, man kann ja eh nix ändern. Gar nicht gut das.
    Kurz (auch wenn es vielleicht eher kümmerlich wirkt): wir müssen miteinander reden, sensibilisieren und diskutieren und das Thema auf den Tisch bringen. Denn eine große Änderung kann nur geschehen, wenn viele nachdenken und unruhig über ein Thema sind. Die meisten denken aber nicht mal nach…
    Oder was denkst du?

  2. darf man dann auch noch als Christ volkswirtschaftlich denken?
    nicht dass ich den anspruch hätte, das tun zu können. aber mir leuchtet es auch schon ein, wenn es heißt, dass mit den 700 000 000 000 $ Hilfe der US-Regierung kein Aktienstruz um 1 200 000 000 000 $ stattgefunden hätte, der am ende ja doch nicht von den Reichen sondern von den neuen Arbeitslosen etc. getragen werden wird.

    darf man auch manchmal pragmatisch denken, damit es menschen möglichst gut geht, oder muss es als Christ immer ideologisch sein, auch wenn das nur funktionieren würde, wenn alle mitmachen???

  3. @webmark: Hi erstmal! Nix gegen pragmatisches Denken, aber die Problematik setzt viel früher an. Bei der Gier der Banken, die unsinnige Immo-Kredite in Massen vergeben haben. Bei einem Finanzsystem, das nur noch gehyped ist, aber keinen realen Gegenwert mehr repräsentiert (wie das früher bei Aktien der Fall war). Bei Staaten, die bürgen, obwohl sie selbst hochgradig pleite sind. Da wird doch nur noch Geld hin und her geschoben und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die 700 Milliarden der US-regierung spurlos am Normalbürger vorbei gehen… das Verursacherprinzip gilt schon lange nicht mehr in der Wirtschaft. Da reitet der Chef der deutschen Citibank seinen Laden in die Krise und wird mit fröhlichen 40 Millionen entlassen – wer springt ein für die Arbeitslosen? Der Steuerzahler.

    Ideologie: ja, ist denn das jetzige Wirtschaftssystem nicht genauso ideologisch? Tun wir doch nicht so, als sei das im freien Spiel entstanden – nein, es beruht auf ganzen bestimmten Axiomen. Und Axiome darf man auch anders denken. Wie gut, dass ein Wilberforce nicht pragmatisch, sondern ideologisch gedacht hat – sonst wäre keine Welle entstanden, die die Sklaverei abgeschafft hat. Leider ist sie mittlerweile wieder existent, aber das ist ein anderes Thema.

    Böse gesagt: manche Experten sagen dem mehrfach und vielfach überzeichneten Aktienmarkt schon lange einen neuen schwarzen Freitag voraus. Endloses Wachstum ist eben nicht machbar, aber das weiss man schon seit langem… (club of rome etc.). Vielleicht täte uns ein solcher Schock gut und wir könnten neu nachdenken…

    Segen!

  4. darf man als nichtchrist mal fragen ob familie siemens, haniel, quant und krupp,
    rockefeller oder gates ect. vorzeigechristen sein sollen? bei wieviel milliarden
    privatvermögen ist bei christen die schamgrenze?

  5. Hi Staron und willkommen! Verstehe glaube ich die Frage nicht ganz…ich versuche es mal so, wie ich dich verstehe; ich habe keine Ahnung, ob die Christen sind oder nicht, die reichen Herren und Damen. Interessiert mich auch nicht sonderlich, ich würde es eh nicht beurteilen wollen.
    Vielleicht so: Geld wird in der Bibel nicht neutral gesehen, sondern als Macht. Man kann durchaus Geld verdienen, man kann – wenn man damit Gottes Willen tut – viel Geld verdienen, aber dann sollte man den Charakter und den Glauben und die Gabe besitzen, damit verantwortungsvoll umzugehen. Ich habe jeden Respekt vor einem christlichen Unternehmer, der das tut, der sich nicht selbst bereichert und dafür Arbeitsplätze für Menschen schafft. Die Frage ist immer: was ist das Zentrum: die Menschen oder das Geld? Wem diene ich: dem Geld oder Gott – sorry, dass ich hier dir gegenüber hier mal so fromm rede. Milliarden Privat(sic!)vermögen sind meines Erachtens für einen Christen nie akzeptabel – das ist Heuchelei. Geld soll immer investiert werden. John Wesley, ein englischer Methodist sagte mal so schön: verdien so viel du kannst, investier so viel du kannst und gib, so viel du kannst. Wer das beherzigt, den wird Geld nicht korrumpieren. Aber der Grad ist – da gebe ich dir Recht – schmal.

  6. Dann müsste man also Gier abschaffen, wenn ich dich richtig verstanden habe.
    Problem ist nur, dass das nur von innen geht. Also politisch nicht machbar.
    Bleibt noch die Lösung, dass man Wege findet, die Gier so in Bahnen zu lenken, dass sie keinen/wenig schaden anrichtet bzw zum wohlergehen aller beiträgt.
    Wobei wir meines Erachtens wieder bei der sozialen Marktwirtschaft wären, oder? also geregelter, überwachter Kapitalismus. Alle anderen tollen Ideen haben leider bisher nur noch schlimmere Konsequenzen gebracht, oder?

    Vielleicht hab ich von dem allen keine wirkliche Ahnung. Und ich bin auch von der Gier angepisst, die jetzt wieder andere ausbaden müssen.
    Mich nervts aber auch, wenn jetzt die Leute wieder Theokratie fordern oder Sozialismus, oder sonst irgendwelche schönen Ideale, die im Himmel bestimmt gut funktionieren werden.

  7. Tu ich ja nicht und ich habe ja auch oben gesagt: ich weiß, dass wir keine Theokratie haben und auch nie haben werden, denn das entspräche nicht dem Bild des NT. Das Ziel ist dort ja nicht ein christlicher Staat! Aber verantwortliche Politik, die die Gier begrenzt und die Schwachen schützt und gleichzeitig fordert (also keine Sozialromantik!). Ich fordere auch keinen Sozialismus, wenn er auch in manchen Teilaspekten dem ursprünglichen Willen Gottes näher kommt als der ungehemmte Kapitalismus. Aber er hat das komplett falsche Menschenbild. (b.t.w. Es würde sich mal lohnen nachzuschauen, wie umfangreich und kreativ die Bewegung des christlichen Sozialismus in der Weimarer Zeit war. Sehr spannend! Und keine blinden Ideologen…)

    Der komplett freie Markt wird immer wieder vehement gefordert als Kur für alles und das, was von republikanischer Seite kommt, hier von der FDP und von großen Teilen des SPD und CDU/CSU (gibt’s die eigentlich noch, was ist der aktuelle Stand…;-)?), das ist eben keine soziale Marktwirtschaft mehr! Da stimme ich dir also vollkommen zu: die müssten wir neu erfinden mit weltweiten Regeln gegen ungehemmte Gier aller Beteiligten. Der Markt ist ein Markt der Sünder auf allen Seiten. Und Politik kann nur versuchen, das in halbwegs gute Bahnen zu lenken, so gut, wie es eben ohne Gott geht…;-)

  8. Das beste System kann nicht funktionieren, wenn die Menschen einen zu schlechten Charakter dafür haben. Umgekehrt braucht man keine Regeln, wenn sich alle tadellos verhalten. Klingt jetzt etwas idealistisch und ist auch so gemeint.
    Das System kann immer nur so gut sein, wie die Menschen selbst, die es bedienen.
    Um die Welt zu verbessern, würde ich deshalb keinen politischen, sondern in erster Linie einen gesellschaftlichen Ansatz wählen. Nur so kann es echte Veränderung geben.

    Natürlich muss auch das System angepasst werden, wenn sich die Gesellschaft verändert. Unser System ist zum Beispiel noch auf die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts eingestellt. Die Gesellschaft hat sich durch die Globalisierung aber völlig verändert. Das muss besser berücksichtigt werden. Und die Staaten haben Macht verloren und sind durch große Konzerne erpressbar geworden. Die Politik kann die Spielregeln überhaupt nicht mehr so einfach ändern wie früher. Die Staaten stehen im Wettbewerb zueinander, wie können sie aber so der Wirtschaft noch die Spielregeln vorgeben? Sehr schwierig dieses Dilemma. Ich habe da noch keinen überzeugenden Lösungsansatz gesehen.

    Wir als Christen sollten uns aber nicht so sehr um Politik kümmern, sondern in erster Linie darauf bedacht sein, dass sich die Gesellschaft zum Positiven hin entwickelt. Das ist viel wichtiger und ich denke, das ist auch unsere Berufung.
    Ich finde das zum Beispiel vorbildlich, wie sich die ersten Christen gegenseitig unterstützt haben, so dass alle genug zum Leben gehabt haben. Und das Wirtschaftssystem war damals sicher nicht weniger grausam als unseres heute.

  9. @Philip: danke für die Ergänzungen! Hatte ja auch oben geschrieben, dass die eigentliche Veränderung von innen nach außen gehen muss. Aber hoffentlich auch über Christen, die sich in der Politik praktisch engagieren. Damit wir nicht wieder die „Stillen im Lande“ sind. Echte Veränderung kann aber Politik nie bringen, nur Begrenzung des Übels und Förderung des Richtigen. Der Knackpunkt scheint mir einfach zu sein, dass wir in einer globalisierten Welt leben, aber es einfach keine globale Ebene gibt, auf der über Richtlinien und Regeln nachgedacht wird. Kurz: wir leben global, denken aber immer noch national. Nötig wären aber weltweit geltende Regeln, die das Schlimmste verhindern…

  10. hallo,
    alle Veränderung beginnt bei mir selbst und nicht in der Gesellschaft bei anderen oder gar in der Politik (da hätte man falsche Erwartungen).
    Die Frage ist, welches lebendige Verhältnis ich im Alltag zu meinem Schöpfer habe.
    Die nächste Frage ist, ob ich seine unendliche Liebe zu mir erkenne und annehme – ganz persönlich. Zur Frage der Gier-frißt-Hirn-Einstellung hat mir persönlich die ursprüngliche Geschichte der Rebellion im himmlischen Bereich geholfen.
    Unser Schöpfer hat jedem Geschöpf einen riesigen Feiraum und einen freien Willen geschenkt. Jeder hat das unendliche „Liebes-Gen“ des Schöpfers in sich und kann daher immer den Weg der Verbindung zu ihm und seiner Liebe mit allem, was dazu gehört, finden.
    Dass der grosse Kampf, der einst im Himmel getobt hat, noch heute Auswirkungen ganz konkreter Art auf unser Leben hier hat, ist eindeutig. Aber das ist der Schlüssel zum Verständnis. Erst nachdem ich das wußte, konnte ich die Bedeutung von Jesus, seinem Leben, seinem Erlösungstod und seiner Auferstehung begreifen. Seither weiß ich, welchen Sinn es macht, auf ihn und seine Wiederkunft ausgerichtet zu leben. In dieser Zeitspanne, egal, wie lange sie ist, haben wir als seine Nachfolger Aufgaben und Verantwortung zu tragen. Das sind echte Herausforderungen in der heutigen Zeit der Globalisierung – und denen habaen wir ins Auge zu sehen und umzudenken, querzudenken und praktische Lösungen zu finden. Daher: von innen nach außen wirken in der Kraft seiner Liebe und in der Überzeugung, dass sein Plan zu Verwirklichung kommt. Darin haben wir Hoffnung und daraus schöpfen wir Kraft für uns und andere. Und was das Geld betrifft – egal ob wir viel oder wenig haben, in der Verlinkung mit IHM wissen wir auch damit umzugehen. Shalom – seid gesegnet.

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