Vom Segen der Gemeinschaft!?

„Es wird leicht vergessen, dass die Gemeinschaft der Christen ein Gnadengeschenk aus dem Reich Gottes ist, das uns täglich genommen werden kann. Darum, wer bis zur Stunde ein gemeinsames christliches Leben mit anderen Christen führen darf, der preise Gottes Gnade aus tiefstem Herzen!“ (Dietrich Bonhoeffer)

Eine komische Zeit ist das, wo eine solche Aussage schon fast anstößig zu sein scheint. Immer wieder liest man es in den Blogosphäre hier und dort: verbindliche Gemeinde sei nicht so wichtig (setze wahlweise Gemeinschaft, Bewegung oder Kirche ein). Individualismus macht sich auch in christlichen Reihen breit. Bis hin in Freikirchen hört man Stimmen, die sagen: ach, Gemeinde ist für mich zweitrangig, ich lebe meinen Glauben vor allem für mich. Oder: Abendmahl ist eine Sache zwischen mir und Gott (was de facto einer Leugnung des Leibes Christi gleich kommt). Oder: ach, ich springe mal zu dieser mal zu jener Gemeinde, was mir halt gerade gut tut (und was ist, wenn Gott gerade mal nicht meinen Bauch pinseln will, sondern krass hinterfragen?). Oder: diese Gemeinde betont mir zu sehr die Liebe Gottes, wir wechseln in die neue, geile city church, die betonen mehr die Vollmacht (wobei doch Vollmacht ohne Liebe immer in Despotismus und Wichtigtuerei endet).

Mich verwirren diese Stimmen, sie machen mich wütend und traurig zugleich, denn so spalten wir den Leib permanent weiter. Und schwächen ihn. Der Zersplitterung der Gesellschaft droht die Zersplitterung der Denominationen zu folgen (nach amerikanischem Vorbild, wo sich Gemeinden teilweise nur in einer theologischen Frage dritten Ranges unterscheiden, aber gerade deswegen dringend einen eigenen Laden aufmachen müssen). 

Was steht wohl dahinter? Ich will ja gar nicht den Frust und die Verletzungen leugnen, die Gemeinden auch bewirken können! Und es gibt sehr wohl gute Gründe, eine Gemeinde oder Kirche zu verlassen (Machtmissbrauch, theologische Schieflagen und Liberalismus in erstrangigen Fragen, Heuchelei, mangelnde Bereitschaft zur Reformation), aber wird heute nicht zu schnell gezappt? Weg mit der einen Gemeinde, hin zur nächsten? Oder gleich unverbindlich frei schwebend bleiben? Ich pflege keinen Kulturpessimismus – ich vermute schlicht ein geistliches Problem dahinter: mangelnde Demut und Selbsteinsicht, zu wenig innere Weite, fehlende Bereitschaft zur Integration von Bestandteilen, die nicht die eigenen sind. Fallen dir noch Gründe ein? Es wäre wichtig, einen geistlichen Gegenpol zu setzen, denn es gibt keinen Glauben außerhalb des (ja, auch sichtbaren!) Leibes Christi.

7 Kommentare

  1. Mir fällt der Begriff „geistliche Wellness-Kultur“ ein. Damit habe ich mich bei dem einen oder anderen auseinanderzusetzen. Also Leute, die nonverbal sagen: „Was als Norm mein Leben bestimmen darf, das entscheide ich!“. Da wird die Predigt wie eine Art geistliches „perfektes Dinner“ gesehen, bei dem ich dem Prediger hinterher die Karte zeigen darf, aber eben nicht mehr als Gottes Wort in dem Augenblick. „Gut ist, was gut tut“ – leider auch zunehmend ein Trend in unseren Gemeinden, und ich fürchte, unser Berufsstand wird sich zunehmend mit den Auswirkungen auseinandersetzen müssen…

  2. Mir fällt eher der Begriff „Durchlauferhitzer“ ein. Es wird offensichtlich immer öfter von Gemeinden erwartet, dass sie wie ein Durchlauferhitzer warmes bringen, ohne jede Verbindlichkeit und eigenes tun, mehr so wie ein Servicebetrieb. Und doch kommt wohl nur Frust dabei raus, was aber auch nur als das Versagen des „Durchlauferhitzers“ betrachtet wird. Schade!
    Gruß myriel

  3. @myriel: schönes Bild der Durchlauferhitzer! Weil es zugleich ein geistliches Dilemma beleuchtet: dass Glaube etwas mit einer permanenten Erhitzung zu tun hat! Dabei negiert eine solche Haltung die organischen Bilder biblischen Wachstums – und da gibt es eben auch die Zwischenphasen, der Winter, das Beschnittenwerden durch den Herrn (Bild vom Weinstock) etc. – Glaube darf nicht zur Droge werden, die zuballert… das kann keine Gemeinde liefern…

  4. Was mich zunehmend wütend macht und zugleich besorgt, ist, daß immer mehr Leute in der Gemeinde immer weniger Bibelwissen haben. Manche wissen kaum, wo in ihrer Bibel vorne und hinten ist, und es gibt auch solche, die keinen Unterschied zwischen AT und NT kennen.

    Die Forderung mancher Leserbriefschreiber in ‚Christsein heute‘, nicht die Gemeindeleitung, sondern die Gemeindemitglieder über Aufnahme und Ausschluß von Gemeindemitgliedern entscheiden zu lassen, entsetzt mich. Weil viele Gemeindemitglieder eine völlig verwaschene Vorstellung von biblischer Moral und Ethik haben, und, um ein Beispiel zu nennen, überhaupt nicht verstehen, was gegen eine ‚wilde Ehe‘ einzuwenden ist. Hauptsache ist doch, man liebt sich.

    Wo es dann soweit kommt, daß nur noch der Pastor (hoffentlich!) und einige bibeltreue Gemeindemitglieder die Fahne hoch halten müssen, wird’s eng.

    Ja, es ist ein geistliches Problem. Aber es hat oft schlichtweg damit zu tun, daß Christen zwar eine Bibel haben, aber zu wenig darin lesen.

    Herr, schick einen Hunger ins Land nach deinem Wort, und Durst nach deinem Geist. Wie sollen wir sonst die Zukunft überstehen?

  5. Die Gemeinde – so wie ich sie mir vorstellen würde – sollte wie ein Strudel sein, der die Menschen immer weiter hin Gott und seinem Wort mitreißt. Die Gemeinde sollte aufbauen und Kraft geben, sie sollte ermutigen und trösten, sie sollte helfen und beistehen und sie sollte ein Ort sein, an dem man sich wohl fühlt und mit Freude hingeht und nicht, weil man unter Druck gesetzt wird und sich dazu verpflichtet fühlt. Das ist ein hoher Anspruch, aber letztlich sollte das möglich sein, wenn der Heilige Geist mächtig in einer Gemeinde wirkt.
    Stattdessen trifft man auf einen Haufen lauwarmer Alibichristen, denen offensichtlich 25.000 Dinge wichtiger sind, als Jesus. Dass so eine Gemeinschaft keinen Spaß auf mehr macht und alle froh sind, wenn sie nach dem Gottesdienst wieder nach Hause können, ist verständlich und ich kann es auch nachvollziehen, wenn diejenigen, die mehr mit Gott unternehmen wollen, die x-te Abspaltung von der Abspaltung von der Abspaltung gründen. Schlechte Gemeinschaft ist – denke ich – wohl die Hauptmotivation für solche Leute, weil man spürt, dass die Gemeinde nicht so rund läuft, wie es sein sollte. Warum es nicht so richtig läuft, macht man dann an theologischen Fragen fest, so nach dem Motto: „Ja, ist ja klar, dass es in der Gemeinde nicht so läuft, weil dies und das viel zu stark betont wird und jener Bibelvers nicht konsequent genug umgesetzt wird“. Das ist meine Erachtens aber nur ein oberflächlicher Erklärungsversuch für ein tiefer liegendes Problem.
    Auf der anderen Seite ist das irgendwie feige, die eingeschlafenen Christen im Stich zu lassen, denn gerade diejenigen, die stärker im Glauben unterwegs sind, sollten doch die Anderen unterstützen.

    Wobei es mir scheint, dass gerade die Landeskirchen sich fast schon auf Karteileichen spezialisiert haben. Da wird dann auch bei manchen Pfarrern dementsprechend Jesu Botschaft verwässert, um ja keinen aus seinem Schlaf zu reißen. Denn es könnte ja sein, dass jemand von einer zu harten Botschaft verärgert wird und aus der Kirche austreten könnte.

  6. @Philip: stimme dir in manchen Analysen und Beobachtungen zu. Allerdings hatten die Menschen früher schon eine erheblich höhere Frustrationstoleranz und akzeptierten einfach, dass auch Konflikte und Entwicklungen normal sind und dass man nicht sofort wegläuft – weder aus einer Ehe noch aus einer Gemeinde…

    Neben den von dir erwähnten Faktoren ist es einfach die fehlende Ausrichtung auf das eigentliche Ziel, den Bau des Reiches Gottes als lebendige Gemeinschaft, die die Sache kompliziert macht – stattdessen kreist man schnell ums eigene Ego und die Frage: wie geht es denn mir in der Gemeinde und macht man alles, um mir auch gut zu tun? Es hat sich eine fatale Bedienmentalität eingeschlichen, die natürlich in den Landeskirchen durch die strukturelle Entmündigung (eieiei, das klingt jetzt vielleicht großkotzig – ist aber eher bedauernd sachlich gemeint) noch fataler ist. Aber auch in Freikirchen drängt die Schwerkraft immer hin zur Struktur, die mich zu verwöhnen hat – anstatt selbst den Hintern hochzukriegen und die Gaben einzusetzen, die Gott geschenkt hat.

    Harte Botschaft? Ich glaube, die Menschen sehnen sich nach Klarheit und Wahrheit ohne Simplifizierung. Die Softiepredigten bekommen zumindest bei uns in der FeG weit weniger positives feedback… – eine komplexe Welt braucht differenzierte Antworten mit klaren Linien.

  7. Allerdings hatten die Menschen früher schon eine erheblich höhere Frustrationstoleranz und akzeptierten einfach, dass auch Konflikte und Entwicklungen normal sind und dass man nicht sofort wegläuft – weder aus einer Ehe noch aus einer Gemeinde…

    Ja, das stimmt. Ich frage mich gerade, womit das zusammenhängt. Liegt das vielleicht daran, dass früher der gesellschaftliche Druck auf die Menschen viel größer war? Alles hat auch seine Schattenseiten. Ich würde mir wünschen, die Menschen hätten mehr Standfestigkeit, weil sie davon überzeugt sind, das Richtige zu tun und nicht, weil sie sich dazu genötigt werden.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s