Fatal: Falsche Wege aus der Glaubenskrise

Jared Diamond hat in seinem hellsichtigen Buch „Kollaps“ darauf hingewiesen, dass Gesellschaften immer dann gescheitert sind, wenn sie unter veränderten Bedingungen die Strategien intensivierten, denen sie ursprünglich ihren Erfolg verdankten – und dass sie genau damit ihren Untergang beschleunigten. (F.A.S. 27.12.2009).

Diese Einsicht ist auch geistlich sooo wichtig. Das Wesen der Religion ist es ebenfalls, die Dinge, die sie ausmachen (Rituale, Dogmen, Spiritualität) zu intensivieren, wenn es nicht so richtig „läuft“. Mehr, mehr, mehr… quer durch den konfessionellen Garten gesprochen:

  • wir müssen wieder mehr lateinische Messen wie früher feiern;
  • wir müssen mehr Lobpreiszeiten halten;
  • wir müssen mehr beten;
  • wir müssen wieder Luther in der Version von 1912 lesen (oder die neue Schlachter), denn nur diese hat den einzig wahren Urtext;
  • wir müssen wieder mehr…

Das Dumme ist nur: Christsein ist Tanzen auf der Fontäne, in den Spannungsfeldern des Glaubens, umschlungen mit und vom Rabbi Jesus, der die Wahrheit ist. Dieser geistliche Tanz durch die dunklen und hellen Täler des Lebens ist die natürliche Lebensäußerung eines Christen. Wir können sie nur verhindern. Indem wir in -ismen verfallen, die aus der personalen Beziehung ein System machen. Indem wir unsere Art zu glauben als den Weg bezeichnen. Es gibt aber nur einen Weg: Jesus. Jeder andere Weg verhindert Tanz.

In der eigenen Spiritualität heisst das: Dem Impuls wehren, mehr machen zu wollen, wenn es nicht läuft. Die Dosis zu erhöhen von dem, was ursprünglich für den Kick gesorgt hat (und sei dies allein noch so gut!), ist bestenfalls Religion, eher ist es: Droge. Doch Glaube geht nicht darum, Kontrolle zu bekommen, sondern zu verlieren. Die Grundwahrheiten des Glaubens stehen. Aber sie sind nur der Ausgangspunkt. Der Tanz beginnt jetzt. Also lass los. Gestatte Jesus, dich zu führen. Erlaube dir, ihm auf die Zehen zu treten. Das ist so, wenn man tanzen lernt. Lass dich jeden Tag neu los und bete: Herr, hilf mir, Kontrolle loszulassen und mich führen zu lassen! Dazu helfe uns Gott.

(Denn die Menschen da draußen denken viel zu oft: Religion!)

14 Kommentare

  1. Die alten Strategien können auch im Glaubensleben manchmal fatale Folgen haben. Mose ist nicht ins gelobte Land gekommen, weil er ein zweites Mal auf den Felsen gehauen hat, statt zu ihm zu sprechen. Was ist da aber wirklich passiert? Mose hat eine Sekunde lang die Beziehungsebene verlassen und die gute alte Vergangenheit als Maßstab genommen, statt auf den König zu hören. Er ist von der Tanzfläche runter und hat sich ein Fotoalbum von damals angesehen :).

    Gott möchte nicht, dass wir in und mit der Vergangenheit leben – er möchte eine lebendige Beziehung im Hier und Jetzt…

    Lasst uns tanzen…

  2. Die Botschaft ist verlockend. Wenn unsere Seele dürstet, können wir uns unsere eigene Zisterne graben. … Wir sehnen uns nach Achtung und Anteilnahme, nach Einfluss und Beziehungen. Uns dürstet nach den Dingen, die unserer Seele wohltun. In der Wüste einer gefallenen Welt sind wir am Verschmachten.
    Larry Crabb

  3. @Dirk: danke für die gute biblische Ergänzung!
    @Marco: Larry – ich schätze ihn sehr und bin gespannt, ihn auf dem Tagesseminar beim Leiterkongress von Willow in Karlsruhe zu erleben!

  4. Das Manna hielt nur einen Tag…nichts ist so schlecht wie der Segen von gestern…
    Lieber Wegbegleiter verfolge immer wieder mal deine Gedanken…mach weiter so…bleibe bei deinem Mut zur Ohnmacht..sie ist die leere Schale die Jesus füllen kann…wenn wir uns vor etwas hüten müssen dann ist es falsche Selbstsicherheit oder der Wahn zu meinen etwas zu wissen..

  5. Das Bild mit dem Tanzen auf der Fontäne finde ich klasse. Du hast meine Erfahrung in Worte gefasst! Danke dafür!

  6. paul watzlawick bezeichnet das als „mehr desselben“. Habe ich vor einer weile mal drüber gepredigt. das ist ein ansatz, zu dem wir alle neigen weil es einfacher ist, die bemühungen zu intensivieren als die strategie zu durchdenken.
    ich widerstehe mal der versuchung, das auf die gemeinde zu übertragen :-). Es ist ohnehin offensichtlich, dass das christentum – mindestens in deutschland – in dieser Falle festhängt.

  7. Die guten Dinge, die wir wiederholen werden zu Gewohnheit. Aus Gewohnheiten werden Traditionen, die Traditionen wandeln sich im Laufe der Zeit in Konventionen, die nur noch ein leeres Ritual sind und nachdem wir vergessen haben, was am Ursprung der Dinge war, nehmen sie uns gefangen und schnüren die Luft zum atmen ab.
    Es ist gut zu den Ursprüngen zurückzukehren, doch eben nicht, um das Ritual zu verstärken, sondern um das Wesen der Dinge versuchen zu verstehen. Wenn es verstanden ist, kann sich daraus eine neue Vorgehensweise, Gewohnheit, Tradition entwickeln. Doch auch diese, so gut sie sein mag, wird eines Tages zur Konvention und dann müssen wir sie verwerfen und uns wieder neu auf die Suche begeben. Jede unser Erkenntnis ist vorläufig, wie der Horizont, der mit jedem Schritt vorwärts wieder in die Ferne rückt.
    Vielleicht stellt diese Sichtweise manche „Widersprüche“ in der Bibel in ein neues Licht. Gott liefert uns keine konfektionierte Massenware, sondern bietet maßgeschneiderte Kleider. Er reagiert individuell und deshalb immer neu, anders. Merkwürdig, es scheint so schwer zu sein sich darauf einzulassen, wir suchen die Sicherheit, die uns die „bewährten Muster“ versprechen …

  8. @storch: ecclesia semper reformanda – das wird allzu oft vergessen… tragisch. Im Zentrum fest stehen (Standbein) und mit dem Spielbein sehr flexibel sein und tanzen, wo der Geist hinträgt. Das wäre auch in einer Gemeinde das Maß der Dinge. Selbst die tollste und lockerste Neuerung kann in wenigen Jahren zur toten Tradition werden. Wir Menschen sind eben heillos religiös. Und lieben Kontrolle. Und Dogmen. Hast du einen link auf die Predigt?
    @gwenhwyr: danke für die gute Ergänzung, genauso läuft es. Letztlich wollen wir Gott in den Griff bekommen, anstatt uns in den Griff bekommen zu lassen. Gemeindemäßig auch. Da wird er nur noch in Hauskirchen wirken, oder in Freikirchen oder… und schon haben wir ihn fest gelegt.

  9. Super Beitrag, Wegbegleiter. Das „rückt den Sofa gerade“..wie es in einem Film hiess. 😀

    Qualitätszeit mit Gott statt frommer Leistung.
    Zu Tanzen mit Jesus fallen mir zwei Begebenheiten ein: ein bewegtes „Bild“ in einer Lobpreiszeit: Jesus in schwarzem Anzug, ganz schnieke, tanzt mit seiner weissgekleideten Braut …. es fühlte sich an, als ob er mit mir tanzt.

    Tanz in der Lobpreiszeit mit der prophetischen Tänzerin der Gemeinde…es klappte nicht ganz so mit ihr mitzugehen… Der Eindruck, der dabei war: die Braut lässt sich noch nicht so von Jesus führen, wie es sein könnte….

    Ja….deinen Beitrag und die beiden Erinnerungen druck ich mir aus und kleb sie in mein Freudetagebuch…. da schau ich doch öfter hinein….

    Segen 🙂

  10. Vielen Dank für Deine Gedanken!
    Das scheint das Schwierige zu sein:
    Eben keine fertigen „Gebäude“ ( bzw. religiöse Gesetze) zu basteln, sondern die Spannung zu akzeptieren, dass jeder Tag mit Jesus ein neuer Tag ist, der was ganz anderes bereit hält als der Tag zuvor.
    Die Antworten von gestern sind nicht die Antworten von heute.

    Doch, um bei Jesus zu bleiben und Ihn recht verstehen zu können, brauche ich persönlich Leitlinien, einen Rahmen… sprich: das Wort Gottes/die Bibel. Meine erste Quelle über und von Gott.

    Und da geht’s dann los! 🙂
    Wollte Jesus, dass wir die Säuglingstaufe oder die Gläubigentaufe haben?
    Wollte Er, dass wir die Predigt im Zentrum unserer Gottesdienstfeiern haben?
    Wollte Er, dieses oder jenes?
    Etc.

    Und dann meinen wir es ernst mit Jesus, wollen mit Ihm leben – und kommen doch zu unterschiedlichen Erkenntnissen, die offensichtlich in der Praxis nicht immer zueinander passen.
    Und dann stehen wir da mit unterschiedlichen Erkenntnissen und unserer Jesus-Liebe und entwickeln vielleicht quasi-religiöse Verhaltensweisen…

    Watt nu?

  11. Danke für Deinen Beitrag. Gerade der Satz
    „Lass dich jeden Tag neu los und bete: Herr, hilf mir, Kontrolle loszulassen und mich führen zu lassen!“ sprach mich sehr an. Komme aus einer Tänzerfamilie. Insofern spricht mich Dein Vergleich mit dem Tanzen sehr an … Danke Dir, be blessed …
    Heike

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